Kleiner Trotzkopf – Wozu brauchen Kinder Trotzphasen?
Kleiner Trotzkopf – Wozu brauchen Kinder Trotzphasen?
Wir kennen es alle: Dein Kind wirft sich mitten im Einkaufszentrum auf den Fußboden und brüllt, dass sich die Balken biegen. Aber warum eigentlich?
Kinder befinden sich in etwa ab dem zweiten Lebensjahr bis zum sechsten Lebensjahr im Trotzkopfalter. Wenn dein Kind trotzt, kann in dir sehr schnell das Gefühl aufsteigen, dass es sein Handeln bewusst gegen dich richtet. Dabei geht es deinem Kind beim Trotzen eigentlich darum, die eigenen Ideen selbstständig durchzusetzen, also selbstständig bzw. autonom zu sein. Bei Autonomie handelt es sich um ein Grundbedürfnis der Psyche, die Fähigkeit, eigenständig zu handeln, mit dem Ziel, unabhängig von den Eltern zu werden. Dies gelingt, indem wir für uns selbst einstehen, uns abgrenzen (siehe „Grundbedürfnisse der Psyche“). Beim Trotzen übt sich dein Kind schlichtweg in seiner Selbstständigkeit. Dabei geraten Kinder oft regelrecht außer Rand und Band, Schreien, Weinen, Schlagen oder ähnliches. Meist deshalb, weil sie sich darüber ärgern, dass ihnen etwas eben noch nicht eigenständig gelingt:
- Dein Kind will etwas, kann es aber noch nicht richtig ausdrücken und wird nicht verstanden.
- Dein Kind glaubt der Mittelpunkt der Welt zu sein und dennoch läuft nicht alles so, wie das Kind will.
- Dein Kind will etwas ausprobieren, darf aber nicht.
- Dein Kind soll sich an eine Regel halten, die es noch nicht versteht.
Aber warum reagiert das Kind so heftig?
Die Emotionen sind für trotzende Kinder so stark, dass sie regelrecht darin gefangen sind und Eltern auch nicht zu ihnen durchdringen. Das liegt daran, dass das limbische System des Gehirns die Oberhand übernimmt und die vernunftgesteuerten Hirnareale eingeschränkt arbeiten.
Ob du dich selbst angepasst oder autonom verhältst, wirkt sich auf deine Reaktion aus:
Angepasste Eltern
Hast du selbst als Kind nicht ausreichend Autonomie erlebt, also wenig Selbstständigkeit leben können, kann es sein, dass dein Trotzkind, das seinen Willen durchsetzen will, genau das macht, was du selbst eben nicht ausreichend gelernt hast, nämlich dich zu behaupten. Stattdessen bist du sehr angepasst und darum bemüht, es anderen recht zu machen. Wenn sich dein Kind dann gegen dich behauptet, fühlt es sich aufgrund deiner eigenen Erfahrungen und erlernten Verhaltensweisen als Ablehnung an.
Sind wir als Erwachsene aufgrund unserer eigenen Kindheitserfahrungen sehr angepasst, laufen wir auch Gefahr, uns zu stark in die Emotionen des Kindes hineinzufühlen und nachzugeben. Dadurch lernen Kinder zu wenig Frustrationstoleranz, sie lernen nicht, dass sie selbst Probleme bewältigen können, indem sie die Trotzphase überwinden.
Autonome Eltern
Wenig Autonomieerfahrung in der Kindheit kann auch dazu führen, dass du irgendwann beschlossen hast, dass du dir nichts mehr sagen lässt. Dadurch neigst du bei Trotzanfällen deiner Kinder dazu, selbst wütend zu werden und dich auf einen Machtkampf einzulassen. Willst du daran etwas ändern, solltest du jene Fähigkeit ausbauen, die angepasste Eltern zu stark ausgeprägt haben, nämlich jene, des Einfühlungsvermögens. Hier hilft es, dir ins Bewusstsein zu rufen, dass dein Kind auf keinen Machtkampf aus ist, sondern schlichtweg verzweifelt ist, da es sich gerade hilflos fühlt.
Aber was soll ich jetzt tun, wenn mein Kind trotzt?
Soll ich einfühlsam und verständnisvoll sein oder Grenzen setzen? Die Kunst der Balance ist hier gefragt: Zugewandt, liebevoll und standhaft bleiben. Wenn dein Kind beispielsweise bei einem Spiel einen Trotzanfall bekommt, weil es die Spielregeln nicht eingehalten hat und du es darauf aufmerksam machst, kann die liebevolle ruhige Botschaft lauten: „Ich verstehe, dass du dich ärgerst. Wenn du dich beruhigt hast, können wir weiter spielen.“ Dann ist es wiederum wichtig, wirklich erst dann weiterzuspielen, wenn sich dein Kind beruhigt hat. Bis es so weit ist, kannst du dich etwas aus dem „Gewitter“ zurückziehen, indem du in der Nähe bleibst aber nicht unmittelbar daneben stehst. Wenn sich dein Kind beruhigt hat, teile ihm mit, wie großartig du es findest, dass es geschafft hat, sich zu beruhigen. Während des „Gewitters“ ist weniger Sprechen von Vorteil. Das Um und Auf ist, einfühlsam und verständnisvoll mit der Situation umzugehen aber dennoch standhaft zu bleiben.
Hast du das Gefühl, dass du zu den stark angepassten oder stark autonomen Eltern gehörst und das Trotzen persönlich nimmst, in Wut gerätst, und schaffst es allein nicht, dein Verhalten zu ändern? Mit fachlicher Unterstützung kannst du zu jedem Zeitpunkt deines Lebens an deinen eigenen Prägungen arbeiten und diese auflösen. Dann kann das nächste Gewitter spurlos an dir vorüber ziehen.
Auf Wunsch berate ich dich gerne online, im GesundheitsCentrum Preding oder bei einem Hausbesuch im Raum Leibnitz, Deuschlandsberg und teilweise Graz-Umgebung.
Quellenverzeichnis:
KAST-ZAHN, Annette (2015): Gelassen durch die Trotzphase. Gräfe und Unzer Verlag. München.
STAHL, Stefanie/TOMUSCHAT, Julia (2018): Nestwärme, die Flügel verleiht. Gräfe und Unzer Verlag GmbH. München.